Als Marshall Anfang der 1970er Jahre erste Workshops abhielt, nutzte er noch nicht den Namen „Gewaltfreie Kommunikation“ für seine Herangehensweise an Kommunikation. Marshall war noch dabei die Technik der Gewaltfreien Kommunikation (GFK) Schritt für Schritt zu erforschen und zu entwickeln, und fand immer neue Bezeichnungen für seine Kommunikationstechnik.
Hier sind zum Beispiel zwei Bezeichnungen:
- „Verantwortliches Denken und Kommunizieren“ („Responsible Thinking and Communicating“)
- „Wie du bekommst, was du willst – aber aus Gründen, die du später nicht bereust.“ („How to get what you want, for reasons you won’t be sorry for later.“
Allan Rholfs – der Weggefährte von Marshall aus dieser Zeit – berichtet im Videoausschnitt von 2 Minuten über diese Zeit:
Diese frühen Bezeichnungen verweisen auf wesentliche Aspekte der Gewaltfreien Kommunikation. Durch die Praxis der GFK lernen wir in fortschreitendem Maße, die Verantwortung für unsere Wahrnehmungen, Interpretationen, Gefühle, Gedanken, Bedürfnisse, Bitten und Forderungen zu übernehmen. Und natürlich auch für unser Handeln.
Der zweite Titel von Marshall legt eher den Akzent darauf, dass wir uns in einem Geflecht von wechselseitiger Abhängigkeiten befinden – ob uns das bewusst ist oder nicht. Wenn wir also bekommen, was wir wollen und dabei jemanden anderen nicht berücksichtigen, dann wird der Preis sicher an anderer Stelle zu zahlen sein. Insbesondere wenn jemand etwas für uns tut aus Pflicht, Angst vor Strafe oder anderen negativen Konsequenzen oder Schuldgefühlen, entsteht oft stiller Groll und der findet auf verschiedenem Wege auch wieder in die Welt. Wenn wir genau hinschauen, können wir das erkennen und uns auf der Basis dieses Bewusstseins immer noch genauso entscheiden wie zuvor – oder eben eine andere Lösung suchen – eine Lösung, die für alle passt und die auch ein Auge und Ohr für ein unwilliges Zustimmen oder ein halbes Ja entwickelt – eine sehr beziehungs- und vertrauensfördernde Praxis.
Menschen, die sich auf den Weg zur Zertifizierung beim CNVC machen, sind übrigens eingeladen ihre eigenen Namen für „Gewaltfreie Kommunikation“ zu bedenken und so ihre eigene Suche nach dem Wesen der Gewaltfreien Kommunikation zu betreiben. Ich habe mich zur Zeit für „Wertschätzende Kommunikation“ entschieden und verstehe darunter vor allem, dass es in dieser Art der Kommunikation um die Verbindung zu den „Schätzen“ und „Werten“ geht – den Bedürfnissen eben.
Ich möchte euch auch den weiteren Vortrag von Allan Rholfs zu seinen Erinnerungen an die Frühzeit der GFK empfehlen. Für mich enthielt er einige überraschende Einsichten und Blickwinkel auf Marshall und die Entwicklung der Gewaltfreien Kommunikation. Hier findet ihr eine vollständige englische Transkription dieses Vortrags zum Nachlesen oder Zitieren, sowie den Link zur Aufnahme des Vortrages auf YouTube, inklusive deutscher Übersetzung von Janne Hanoun.